Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

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Förderprojekte können nachhaltiger sein als vermutet

Engagements mit Langzeitwirkung

Anstoss zum Thema der vorliegenden RADAR-Ausgabe gab die Ehrung, die Cyrill Häring, bis 1993 Leiter der Abteilung Städtische Aufgaben bei der Christoph Merian Stiftung (CMS), vom georgischen Staat erhalten hat. In Anerkennung seiner Verdienste um den kulturellen Austausch mit Georgien bekam er im Oktober 2021 von der georgischen Staatspräsidentin Salome Surabischwili die Medal of Honour überreicht. Ausgangspunkte seiner über 30-jährigen Tätigkeit für und in Georgien waren zwei CMS-Projekte, die Cyrill Häring initiiert hatte: das Europäische Jugendchor Festival, das georgische Jugendchöre nach Basel einlud, und die Kunststipendien in der Schweiz und Georgien im Rahmen des Internationalen Atelier- und Austauschprogramms der Region Basel IAAB (heute Atelier Mondial). Dieser Austausch für Kunstschaffende wurde 1990 durch Häring nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ins Leben gerufen und anfänglich vom Bund als Teil der Osteuropahilfe (ARTEST) unterstützt, später durch IAAB alleine weitergeführt. Er dauerte von 1991 bis 2007. Selber besuchte ich Georgien 1999 und in Tbilissi auch die Schweizer Vertretung. Auf die Frage, ob die Schweiz nicht wieder den Künstleraustausch mitfinanzieren wolle, meinte ein Mitarbeiter der DEZA, oh nein, die Schweiz setze ganz auf Multiplikatorenwirkung und unterstütze daher bloss den Austausch von medizinischem Personal und von Forstspezialisten. Geld in Kunstschaffende zu investieren, sei eben nicht nachhaltig. Die Geschichte, die wir Ihnen im Beitrag auf Seite 8 erzählen, beweist das Gegenteil! Es ist ein Netzwerk entstanden, Schweizer Kunstschaffende haben in Tbilissi eine Bibliothek aufgebaut, Lehraufträge erhalten, Wein importiert und die demokratische und künstlerische Entwicklung in Georgien unabhängig von IAAB eigeninitiativ und tatkräftig unterstützt.

Dieses Projekt mit Langzeitwirkung hat uns auf die Idee gebracht, ein ganzes RADAR der nachhaltigen Wirkung von Projekten zu widmen. In ihrer Fördertätigkeit versteht sich die CMS als soziale Investorin, d.h. die eingesetzten Fördermittel sollen eine durch die Projektpartner und die CMS beabsichtigte Wirkung entfalten, also einen nichtpekuniären, philanthropischen Gewinn, einen Mehrwert erzielen. Dieser kann aus einer momentanen, punktuellen Wirkung bestehen, er kann aber auch langanhaltend, manchmal sogar dauerhaft sein.

Mit ihrem grossen Liegenschaftsbesitz kann die CMS im Sinne ihrer Förderziele und Werthaltung immer wieder Entscheide mit Langfristwirkung fällen. So hat sie nicht nur den botanischen Garten in Brüglingen, die Merian Gärten, ermöglicht und unterstützt, sondern betreibt sie heute selbst als ihr grösstes operatives Engagement und Service public mit einem Mitteleinsatz von CHF 4,2 Mio. pro Jahr. Zurzeit investiert sie zudem über CHF 20 Mio. in die Sanierungen der Gartenanlagen, des Ökonomiegebäudes und der Villa Merian. Innerhalb der Pflanzensammlungen der Merian Gärten kommt der Sammlung der Bartiris, welche die Gärten 1969 als Schenkung von Helen Gräfin von Zeppelin erhalten haben, eine ganz besondere Stellung zu. Die CMS hegt und pflegt die 1'500 Iris-Sorten und präsentiert die einzigartige Sammlung Ende Mai dieses Jahres in einer frisch angelegten, wunderbaren Anlage neu.

Ein anderes Beispiel für nachhaltige und zukunftsorientierte Wirkung war die von der CMS 1997 beschlossene Umstellung der Landwirtschaft auf biologische Bewirtschaftung mit dem Knospe-Label. Heute untersucht das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL die Langzeitwirkung und stellt einer Datensammlung aus den Jahren 1993–1995 eine neue Studie gegenüber, um die Entwicklung der Insektenpopulationen zu vergleichen. Ohne den Studienresultaten vorgreifen zu wollen, kann man heute sagen, dass der Entscheid für eine biologische Landwirtschaft pionierhaft war, sie ist heute wichtiger denn je.

Überdies führt die CMS aktuell eine partizipativ angelegte Studie zum Natur- und Grünraum in Wohnsiedlungen durch, um bisher ökologisch uninteressanten Flächen zu neuer Biodiversität zu verhelfen. Ausserdem beschäftigt sich die Stiftung im Bereich der Forstwirtschaft mit den Themen Buche als Bauholz sowie einer möglichen Verwendung von Totholz zur Herstellung von sogenannten Waldpellets. Auch überprüft sie ihre Wertschriftenanlagen und ihren Gebäudebestand hinsichtlich Co2-Ausstoss und handelt dementsprechend.

Im Bereich der klassischen Fördertätigkeit hat die CMS in den 1990er- und 2000er-Jahren mehrere Institutionen initiiert, wie das Literaturhaus, die Schuldenberatungsstelle Plusminus, das Haus der Elektronischen Künste HEK oder das Kinderbüro: Sie alle sind aus dem sozialen und kulturellen Basel nicht mehr wegzudenken. Deshalb werden sie von der CMS im Sinne einer dauernden Partnerschaft mit jährlichen Betriebsbeiträgen unterstützt. Um die Flexibilität der Fördermittel zu wahren, hat sich die CMS allerdings entschieden, ihre Engagements mit Ausnahme der deklarierten Partnerschaften künftig zu befristen. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell Problemlagen entstehen und wie wichtig es ist, dass Stiftungen wie die CMS mit Sofortmassnahmen und bedeutenden Fördersummen unbürokratisch Not lindern können.

Wir stellen fest, dass aber auch zeitlich befristete Projekte eine andauernde Wirkung erzielen können. So unterstützte die CMS 1999 das CD-ROM-Projekt «Natur und Landschaft der Region Basel» als Beitrag an die Landesgartenschau Baden-Württemberg in Weil. Als die CD-ROM als Datenträger veraltet war, ermöglichte die Stiftung die Überführung der Daten in ein webbasiertes und stark erweitertes Projekt «regionatur.ch». So ist heute noch verfügbar, was seit 1999 erarbeitet wurde.

Weitere Projekte mit Langzeit- oder Sekundärwirkung, die in diesem RADAR vorgestellt werden, sind das Pilotprojekt Brückenbauer:innen, die Obdachlosenstudie der CMS, der Gründungskurs von Crescenda, die Beratungsstelle für Künstlernachlässe und das Basler Stadtbuch. Schliesslich berichten wir – um den Kreis zu schliessen – am Beispiel des aus Zimbabwe stammenden Künstlers Wallen Mapondera, welche Wirkung eine Residency in Basel auf das künstlerische Schaffen und die eigene Biografie heute haben kann.

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, manchmal haben Projekte, die man auf den ersten Blick als ephemer, kurzlebig oder punktuell bezeichnen könnte, aber auch richtungsweisende Bewirtschaftungs- oder Förderentscheide sehr langfristige Folgen und so gesehen eine im Verhältnis zur «Förderinvestition» um ein Vielfaches potenzierte Wirkung. Aber lesen Sie selbst und lassen Sie sich von den ganz unterschiedlichen Projekten begeistern.

TEXT: DR. BEAT VON WARTBURG, DIREKTOR CMS