Das Online-Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements. Das Magazin #25 ist vorläufig die letzte Ausgabe. Ein neues Format ist in Planung.

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Interview

«Kulturschaffende kommen meist mit einem Budget zu uns ...»

Mit dem KulturHub hat Kathrin Walde gemeinsam mit Maxine Devaud ein Beratungsangebot geschaffen, in dem Kulturschaffende sich niederschwellig informieren und miteinander vernetzen können. Mit RADAR spricht sie über ihren Alltag als Kulturberaterin und reflektiert die Bedeutung von Resilienz im Leben von Künstler:innen.

 

Frau Walde, Sie beraten Kulturschaffende in verschiedenen Phasen ihrer beruflichen Entwicklung. Was hat Sie dazu bewegt, sich auf diesen Bereich zu spezialisieren?

Als ich anfing, als Künstlerin zu arbeiten, hätte ich mir ein niederschwelliges und institutionalisiertes Beratungsangebot gewünscht. Das gab es aber damals noch nicht. Meine Gründungspartnerin Maxine Devaud und ich bekamen immer wieder mit, dass Kulturschaffende frustriert waren oder gerade bei administrativen Geschichten Angst hatten, etwas falsch zu machen. Mittlerweile haben wir viel Erfahrung und Wissen in diesen Bereichen und geben es gerne weiter.

 

Können Sie uns kurz den KulturHub vorstellen?

Wir wollten ein Beratungsangebot kreieren, mit dem wir selbstständigen und freischaffenden Kulturschaffenden zeigen können, dass es viele richtige Wege gibt. Weil wir keine Lust mehr hatten, unser Wissen gratis weiterzugeben, und keine Zeit mehr für Projekte hatten, die unsere Miete bezahlen, haben wir den KulturHub gegründet. Interessierte können jeden Mittwoch im Roxy Birsfelden oder jeden zweiten Dienstag im Ausstellungsraum Klingental in die Beratung kommen, einmal pro Monat auch mit juristischem Fokus. Das Angebot ist kostenlos und ohne Voranmeldung möglich. Kulturschaffende kommen meist mit einem Budget zu uns, aber am Schluss reden wir über Vorsorge.

 

Was bedeutet Resilienz im Kontext von selbstständig oder freischaffend erwerbenden Künstler:innen?

Es ist individuell, was Resilienz für die einzelnen Kulturschaffenden bedeutet. Verbindend ist sicher ein gewisser Fatalismus – dass man im Moment lebt und sich nicht zu viele Sorgen über die ungewisse Zukunft macht. Für viele ist es schwer, mit einer anhaltenden Unsicherheit zu leben. Die hören dann auf, vielleicht für ein paar Jahre, und kommen später wieder zurück. Das Bedürfnis zu haben, sich künstlerisch auszudrücken heisst nicht, dass man ein unsicheres Leben führen will – aber dennoch bedingt es das.

 

Welchen Herausforderungen begegnen selbstständig oder freischaffend erwerbende Künstler:innen im Hinblick auf psychische oder emotionale Belastbarkeit?

Diese Menschen müssen sich selbst um ihre soziale Sicherheit und Vorsorge kümmern: Es ist nicht möglich, von Anfang an nur von der Kunst zu leben, und im Alter reicht die AHV als Vorsorge allein nicht aus. Spannend ist, dass die jüngere Generation von Kulturschaffenden, die jetzt aus den Hochschulen kommt, ein grosses Bewusstsein für diese Realitäten hat.

 

Gibt es dabei Unterschiede zwischen verschiedenen Sparten (z.B. darstellende Kunst, Musik, bildende Kunst)?

Davon ist auszugehen. Theaterschaffende sind zum Beispiel häufig über Vereine angestellt und der Berufsverband ‹t. Theaterschaffen Schweiz› hat schon viel länger etabliert, wie die Bezahlung von Theaterarbeit berechnet wird. Die Förderstellen verstehen, wie das funktioniert. In der Musik oder in der Kleinkunst sind die Voraussetzungen andere. Dort sind viele selbstständig erwerbend und können Phasen, in denen sie wenige Projekte haben, nicht beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) überbrücken. Eine Anmeldung beim RAV ist allgemein noch stigmatisiert: als Künstler:in zu leben und zusätzlich Arbeitslosengeld zu beziehen wird oft als doppeltes Profitieren vom Staat wahrgenommen. Die Auseinandersetzung mit diesen Vorurteilen und die Abgrenzung davon erfordern Resilienz.

Artikel 6

Welche konkreten Ansätze im KulturHub unterstützen die Teilnehmenden darin, resilienter zu werden?

Nur schon, dass die Leute zu uns kommen können, ist unterstützend. Bei uns gibt es kein Wartezimmer, deshalb lernen sich die Kulturschaffenden auch untereinander schnell kennen und merken, dass sie mit ihren Themen nicht alleine sind. Was wir dann genau bieten können oder was das Richtige ist, ist sehr individuell. Wir hatten beispielsweise einmal eine junge Theaterschaffende, die völlig überrumpelt war, als ihr das Theater nach einer Lesung eine Co-Produktion anbot. Zeitweise wurde ihr alles zu viel, wir konnten sie aber durch den ganzen Prozess begleiten. Am Schluss hat sie mit dem Stück einen Preis gewonnen.

 

Wie könnte das Kulturumfeld seitens der Förderinstitutionen resilienter gestaltet werden?

Im Vordergrund steht für mich, dass Förderinstitutionen mit Kulturschaffenden im Dialog bleiben und sich der Abhängigkeitsver­hältnisse bewusst sind. Eine geldgebende Institution hat immer die Macht zu entscheiden, welche Kunst gezeigt wird und welche nicht – auch bei flachen Hierarchien. Kulturschaffende sollten dadurch nicht gezwungen werden, von ihrer eigenen Kunst wegzukommen. Sie sollten vielmehr in die Erarbeitung von Förderrichtlinien einbezogen werden und bei negativen Entscheiden transparent und niederschwellig über die Gründe aufgeklärt werden. Für Künstler:innen kann eine Absage mit Scham verbunden sein, denn sie haben etwas Hochintimes an eine fremde Kommission zur Beurteilung übergeben. Da hilft ein echter Dialog in beide Richtungen – davon profitieren auch die Förderinstitutionen.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kultursektors, damit Kunst- und Kulturschaffende langfristig schadenfrei und kreativ arbeiten können?

Ich wünsche mir, dass der Sektor sich selbst mehr wertschätzt und von der Gesellschaft mehr Wertschätzung erhält. Dafür braucht es Verständnis für die Perspektiven aller Seiten.

 

Nina Arisci, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Kommunikation, CMS

 

Zur Person

Kathrin Walde ist Kulturmanagerin, Kulturberaterin und Heil­pädagogin und seit vielen Jahren in der freien Theaterszene tätig. 2016 hat sie den KulturHub in Basel mitbegründet – ein niederschwelliges Beratungs- und Vernetzungsangebot für selbstständige und freischaffende Kulturschaffende, das die CMS in den Jahren 2025–2027 mit CHF 60'000 unterstützt.

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