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Essen und Trinken

Zusammen essen als Akt der Integration

«Chromet süssen Anke!»
und d’Sterne flimmere z’nacht.
(…)
«Chromet grüni Bohne!»
und hen no alliwil meh.
Was chost en Immis nit?
’s heisst numme: Mul, was witt?
Pastetli, Strübli, Fleisch und Fisch,
und Törtli und Makrone.


TEXT: DOMINIQUE SPIRGI

Was Johann Peter Hebel Anfang des 19. Jahrhunderts in seinem alemannischen Gedicht «Die Marktweiber in der Stadt» beschrieb, passt ganz gut zum abendlichen Treiben auf dem Platz, der seinen Namen trägt. Wobei süsse Butter und grüne Bohnen hier nicht die Hauptrolle spielen. Diese ist eher bei den Pasteten, bei Fleisch und Fisch zu finden. Oder in die Gegenwart übersetzt: Jeweils am ersten Donnerstag im Monat geniessen die Besucherinnen und Besucher des Abendmarkts auf dem Hebelplatz neben dem Einkauf von Gemüse aus der Region und Olivenöl aus Palästina frische Austern und Champagner – oder je nach Gusto einen Aperol Spritz.

Hinter einem umgebauten Lastenvelo schenkt Arthur Clay Champagner aus und mixt Drinks. Hauptberuflich ist Clay Künstler und Informatik-Professor an der Hochschule Luzern. «Ich nutze meine Auftritte mit der Fahrbar hier und am Wettsteinmarkt auch zur Feldforschung für meine Arbeit», sagt er.

Die Stimmung auf dem Platz ist am ersten Donnerstag im Juni heiter und entspannt, sicherlich auch geprägt vom Umstand, dass das Wetter nach düsteren Regentagen auf prächtige Art mitspielt. Das Ganze erinnert etwas an ein grosses Familientreffen. Alle Sitzplätze an den vielen Tischen sind besetzt – manche wurden von den Gästen selber angeschleppt. Dazwischen wuseln die Kinder der Nachbarschaft herum, auf eigenen Beinen oder auf Trottinetten und anderem Rollmaterial.

Der Abendmarkt auf dem Hebelplatz stellt eine Ausnahme im wachsenden Marktangebot in den Basler Quartieren dar, allein schon wegen des Umstands, dass er abends stattfindet und einen Hauch von Schickeria oder eines Stelldicheins der gutsituierten Nachbarschaft verströmt. Böse Zungen würden von einem Stück Gentrifizierung im einstigen Arbeiterviertel St. Johann sprechen.

Wenige Hundert Meter weiter in Richtung Rhein geht es formloser zu. Auf dem Menüplan des Mittagstisches im Quartiertreffpunkt LoLa stehen an diesem Mittwoch Sobanudeln mit Aubergine, als Vorspeise gibt es Frühlingsrollen.

Im ersten Moment hat man das Gefühl, Gast in einem konventionellen Restaurant zu sein, was nicht allzu weit hergeholt ist. Denn das LoLa war unter dem Namen Landskrongarten einst ein beliebtes Restaurant mit vorzüglicher Küche. Aber auch heute lohnt sich ein kulinarischer Abstecher ins St. Johann. Die japanische Köchin – sie ist eine von dreien, welche die Mittagsküche am Laufen halten – garan-tiere authentische Küche, sagt Jan Götschi, Betriebsleiter des Quartiertreffpunkts. Für 13 Franken nur (wer vorreserviert, erhält 2 Franken Rabatt) bekommt man einen feinen Hauptgang serviert.

Das Angebot wird reichlich genutzt, wie Götschi sagt. Zu essen gibt es nicht nur mittags (von Montag bis Freitag), sondern auch abends – dies als kulinarische Begleitung von diversen kulturellen Anlässen. Das Publikum ist gut durchmischt: Familien mit Kindern, ältere Menschen, Migrantinnen und Schweizer.

Genauso durchmischt wie die Kundschaft sei auch das Team der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Freiwilligen, erzählt Götschi. Es reiche von pensionierten Menschen über Leute, die im ersten Arbeitsmarkt mit Schwierigkeiten kämpfen, bis zu Migrant:innen, die ihr Deutsch aufbessern wollen. Über einen Mangel an ehrenamtlichen helfenden Händen kann sich das LoLa nicht beklagen – im Gegenteil: «Wir müssen auch Leute abweisen, solche aus dem Quartier haben Vorrang vor jenen aus Riehen oder Reinach», sagt Götschi.

Nicht ganz so zahlreich besucht sind die jeweils von Mittwoch bis Freitag angebotenen Mittagstische im Quartiertreffpunkt «Gleis58» auf dem Erlenmattareal. «Bei uns kommen die Leute, wenn wir spezielle Programme anbieten», sagt Betriebsleiterin Andrea Blattner. «Unsere Events sind gut besucht.» Das ist auch so, wenn abends der Pizzaofen angefeuert wird. Jeweils am Donnerstag und Freitag empfängt das Team von «Pomodorissimo» zahlreiche Gäste zu Pizza und Drinks.

Dementsprechend gut bevölkert ist der Platz vor der ehemaligen Kantine der Deutschen Bahn am Familientag Ende Juni. Regierungspräsident Beat Jans ist höchstpersönlich gekommen, um die speziellen «Olympischen Spiele» zu eröffnen – ein Akt, der ihm sichtlich Freude bereitet. Er bedankt sich bei Blattner mit warmen Worten für das grosse Engagement, das solche für die Integration so wichtigen Anlässe ermögliche.