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Kultur und Unterhaltung

Das quicklebendige Wohnzimmer im gediegenen Wohnquartier

TEXT: DOMINIQUE SPIRGI

Das Stück der Strasse, die den Quartiernamen trägt, entspricht so gar nicht dem Klischee, mit dem man die gehobene Wohngegend westlich von Viaduktstrasse und Steinenring in Verbindung bringt. Gemeint ist das Bild von stattlichen Villen und Reihenhäusern aus der Jugendstilzeit – gediegene Wohn- und Rückzugsräume ohne sichtbare Belebtheit.

Ganz anders präsentiert sich die Bachlettenstrasse zwischen der Ringstrasse und der Birsigstrasse, die zum Zolli hinunterführt: mit einer Bäckerei, einem italienischen Delikatessengeschäft, einer ehemaligen Drogerie (die ihr Schaufenster mit einem Holzfigurenspektakel aus dem Erzgebirge inszeniert) und einer Buchhandlung – und dem geräumigen Quartierzentrum Bachletten, QuBa abgekürzt.

«Früher war eine Coop-Filiale hier drin, zwischenzeitlich ein Zentrum für Asylbewerberinnen und -bewerber», erklärt Karin Fardel, «bis wir mithilfe zahlreicher Spenden aus dem Quartier unseren Anteil am Haus kaufen konnten.» Wobei das mit dem «wir» und dem «kaufen» etwas komplizierter ist: «Unser Teil gehört der dafür gegründeten ‹Stiftung QuBa›, die die Räume an uns weitervermietet.»

Aber Hauptsache, der Raum ist da und kann auf vielfältige Art genutzt werden. Nicht nur das, er ist auch gross genug zum Tanzen. Ein Flügel weist darauf hin, dass hier Musikanlässe der unterschiedlichsten Art stattfinden. Die Bar lädt ein zum gemeinsamen Diskutieren und Plaudern, zum Beispiel nach den regelmässigen Radiofeature-Abenden unter dem Titel «HörBar». Hier werden im Winterhalbjahr auch Filme gezeigt, hier lädt der kochende Antiquar Alain Moirandat zweimal pro Monat zur kulinarischen Weltreise, und sehr vieles mehr.

Und die Menschen im Quartier kommen hier zusammen: sowohl als Publikum – rund 22’000 Besuche pro Jahr – als auch als Produzent:innen. «Es leben viele professionelle Musikerinnen und Musiker im Quartier, die hier auftreten», sagt Fardel. Einer davon – wohl der bekannteste unter ihnen – wohnt gleich gegenüber: der Schlagzeug-Künstler Fritz Hauser.

Karin Fardel ist Geschäftsleiterin des QuBa und neben weiteren Vorstandsmitgliedern seit Beginn mit von der Partie. Als Inhaberin einer Agentur für Corporate Volunteering ist sie gewissermassen die Idealbesetzung für diese Aufgabe. Ihr zur Seite steht der Präsident des QuBa, Bernard Senn. Der bekannte Radiojournalist von SRF 2 Kultur ist ebenfalls bereits seit vielen Jahren aktiv dabei. «Ich zog 1999 von Zürich herkommend ins Quartier und war sogleich angetan von dem, was hier passierte», sagt er. Seine Frau sei bald in die Mütterberatung eingestiegen, erzählt Senn. Er selber rief einen Papi-Binggis-Zmorge ins Leben, den er sechs Jahre lang leitete, bis dieser aus dem Programm verschwand.

Es folgte der kulturelle Durchbruch mit der «HörBar». «Einmal pro Monat präsentiere ich vor einem treuen Publikum ausgewählte Radio-Features», so Senn. Die «HörBar» ist einer der kulturellen Programmpunkte, die als spezielle Veranstaltungen über die Quartiergrenzen hinausstrahlen. «Es ist ein einzigartiges Angebot hier», sagt Senn nicht ohne Stolz, gibt aber gerne zu, dass er das Konzept aus Berlin übernommen hat. Und zitiert einen Sinnspruch, der die Wand über der Kaffeemaschine in der Bar schmückt: «Herzblut ist unser Kapital – Ihr Herzklopfen unser Lohn».

Fardel und Senn gehören zusammen mit der Quartierzentrumsmutter Maria d’Aujourd’hui zur Gründergeneration des QuBa. «Umso mehr freut es uns, dass nun die nachkommende Generation einzusteigen beginnt», sagt Fardel.

Aber die Stammkundschaft ist nach wie vor etwas älter. Es sind viele dabei, die in den Achtzigerjahren vergebens gegen die Überbauung Bachletten-Dreieck gekämpft haben – ein Engagement, welches das Quartier zusammengeschweisst habe, wie Fardel sagt. Besonders aktiv sind die Grauen Panther, unter anderem mit einer eigenen Jazz-band. Dazu kommen die Expats: der belgische Verein mit Konzerten und einer Ausstellung zu belgischen Besonderheiten, organisiert durch die Honorarkonsulin, die japanische Gesellschaft mit einer Lesung und Sake-Degustation, das China Forum mit regelmässigen Vorträgen. Der Katalog der Veranstaltungen ist lang und vielfältig. Er reicht vom Ballettunterricht über die Rollstuhl-Disco zu einer Informationsveranstaltung über Migration und Rassismus, einem Kunsthandwerksmarkt und dem Demenz-Café.

Fardel und Senn betonen unisono, es sei eine glückliche Fügung, die verschiedene Talente sowie letztlich auch Spezialistinnen und Spezialisten an diesem Ort zusammengebracht habe. Und sie freuen sich auf das Quartierfest im August, das sie organisieren. Das Fest wird verbunden mit einer Sammelaktion für ausgediente Velos, die nach Afrika verschifft werden sollen.