Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

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Kunstprojekt

Das Geheimnis von Margaretha Merians Mona-Lisa-Lächeln

Wer den Hauptsitz der CMS an der St. Alban-Vorstadt 12 betritt, wird zunächst einmal freundlich vom Stifterpaar empfangen: «Die Zwei» ist eine Multimedia-Installation des Baslers Künstlers Philipp Gasser, die sich als Hommage an die grosszügigen Eheleute versteht. RADAR hat mit ihm über die Entstehung des vielschichtigen Werks gesprochen.

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Was hat Sie künstlerisch am Auftrag für die Installation «Die Zwei» interessiert?

Ich selbst habe mit dieser Installation den Horizont meines künstlerischen Schaffens erweitern können, weil ich mich bei dieser Arbeit mit 3D-Scannern bzw. 3D-Animation in Videos vertraut machen konnte. Die Welt in 3D einfach erfassen zu können war damals, im 2016, für Künstlerinnen und Künstler etwas ziemlich Neues, und es hat mich dazu gebracht, eine neue Art von Video-Installation, nämlich eine Mischung aus 2D und 3D, zu kreieren. Ich muss dazu sagen, dass ich einiges auch dem Künstler Robin Michel verdanke, einem damaligen Studenten von mir, der das 3D-Scanning mit sehr viel Begeisterung und Leichtigkeit eingebracht hat. Und Kyriakos Tsilavis von der Digitalwerkstatt hat mit dem 3D-Programm Blender eine neue Form von Skulptur geschaffen.

Was waren die Herausforderungen an dem Projekt «Die Zwei»?

Die grösste Herausforderung war sicher das «digitale Lifting» von Margaretha. Wir hatten als Vorlage eine Büste von Ferdinand Schlöth aus dem Jahr 1886, die in der Krypta der Elisabethenkirche über dem Sarg von Margaretha steht. Auf dieser Büste ist Frau Merian als ältere Witwe abgebildet, und diese Erscheinung passte vom Alter her nicht zu der von Richard Kissling in Marmor gemeisselten Büste ihres Mannes, die Christoph Merian als stattlichen Mann von etwa Mitte vierzig zeigt und die wir als Ausgangspunkt für unser Kunstprojekt nehmen sollten. Also haben wir die Büste der älteren Frau Merian eingescannt, gerendert, auf etwa 35 Jahre verjüngt und dann im 3D-Printing-Verfahren ausgedruckt – was sehr aufwendig war.

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Was war so aufwendig an der Verjüngung?

Zunächst haben wir die Falten retouchiert, dabei haben wir ihre Mundwinkel kaum merklich angehoben, sodass sie jetzt ein ganz leises Mona-Lisa-Lächeln auf den Lippen trägt. Aber am schwersten war es, die Haare digital zu skulpturieren! Die Frisur der Originalbüste verschwindet ja unter dem Schleier, und man kann nur erahnen, wie die Haare darunter aussehen. In unserer Version trägt Margaretha einen Dutt ohne Schleier, und wir mussten die Haare in vielen Versuchen gänzlich neu führen. Wir haben uns dafür von unzähligen Fotos aus dieser Zeit inspirieren lassen – wie man das damals übrigens oft gemacht hat: Büsten wurden nach Fotos geformt, nicht nach Natura. Und die Haare – ja, die sind, wie auch der Faltenwurf, ein grosses Thema in der Kunstgeschichte. Sie sind unglaublich schwierig, weil man sie nicht naturalistisch nachempfinden kann – das wirkt immer irgendwie flach und unecht. Man muss sie künstlerisch transformieren, damit es echt aussieht, und das kann schon mal Knochenarbeit sein.

Sehen Sie in Ihrer Installation auch eine politische Aussage?

Nun, ich finde es auf jeden Fall höchst befriedigend, wenn man eine Frau auf den Sockel stellen kann! Und dann erst diese Frau, mit der ich mich schon in mehreren Projekten künstlerisch befasst habe … Dass viele Frauen früher ihre Männer im Hintergrund unterstützt haben, das weiss man ja schon lange, aber es ist wichtig, dass diese Frauen mit ihrem Beitrag auch sichtbar werden. Ich bin daher auch der Ansicht, dass die Stiftung jetzt eigentlich ihren Namen in Christoph und Margaretha Merian Stiftung ändern müsste.

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«Die Zwei» von Philipp Gasser

«Meine Idee war es», sagt der Basler Multimedia-Künstler Philipp Gasser über sein Werk, «Margaretha Merian endlich aus der Krypta heraufzuholen, zu uns ans Tageslicht, und sie an die Seite ihres Mannes zu stellen.» Ganz so, wie man es damals in den gehobenen Basler Kreisen von einer Frau ihres Standes erwartete, hat Margaretha Merian sich in den Schatten ihres Mannes gestellt und ihm bei all seinen vielfältigen Projekten den Rücken gestärkt; später hat sie in seinem Sinne weiter gewirkt – zunächst, als Witwe, bevormundet von ihrem Bruder, in spätesten Jahren dann auch selbstständig. In der Videoinstallation «Die Zwei», die der Künstler Philipp Gasser 2017 im Entrée der Christoph Merian Stiftung realisiert hat, steht eine weiss glänzende Büste der jungen Frau Merian um einen Schritt verschoben vor dem marmornen Bildnis ihres Mannes, das der namhafte Schweizer Bildhauer Richard Kissling 1898 erstellt hat.

Neben diesem wirkt die im 3D-Printing aus Plastik erzeugte Büste Margarethas leicht und wendig und sie leuchtet im Licht des Videobeamers. Im Rücken von Christoph und Margaretha schweben, als «lebendige Tapete», so der Künstler, im 3D-Verfahren gescannte Objekte durch den Raum: Gebäude wie die Villa Merian, das Cartoonmuseum, Atelier Mondial, die Rakete Dreispitz, aber auch Dinge wie Blumen und Traktoren, Bücher, Büromöbel, Rollatoren und Malerpaletten. Es sind Objekte, die symbolisch für das Schaffen der CMS stehen und zeigen, was aus dem Engagement der Merians alles entstehen konnte. «Margaretha nimmt jetzt ihren Platz ein», sagt Gasser über sein Werk. Denn nicht zuletzt hatte die Stiftung 1886 durch das besonnene Handeln der Witwe in Kraft treten können.

TEXT: DR. ALEXANDRA J. STÄHELI, PROJEKTLEITERIN ATELIER MONDIAL