Das dreimal jährlich erscheinende Online Magazin RADAR der Christoph Merian Stiftung informiert über die Hinter- und Beweggründe des CMS-Engagements.

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Orte und Objekte der Erinnerung

Bekanntes und Unbekanntes

Margaretha Merians Leben war bei allem Rückzug ins Private auch von Auftritt und Wirkung in der Öffentlichkeit geprägt. Was sie tat und wie sie es tat, entsprach dem damaligen Rollenbild einer reichen Baslerin. Eigensinnige Schwerpunkte setzte sie trotzdem. Einiges ist heute noch sichtbar, anderes verschwand, manches überrascht.

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Die Elisabethenkirche

Die Elisabethenkirche ist ein Gemeinschaftswerk von Margaretha und Christoph Merian. Das Testament von 1857 sagt ausdrücklich, dass der Kirchenbau der Wille beider Eheleute war. Im Kirchenchor wird dies unübersehbar. Die Familienwappen Merian und Burckhardt stehen im zentralen Fenster nebeneinander. Dieselbe Botschaft, nur noch prägnanter, vermittelt die Krypta direkt unter dem Chor. Margaretha und Christoph Merian wurden dort nach dem Vorbild mittelalterlicher Stifterinnen und Stifter von Kirchen bestattet. Über ihren Sarkophagen stehen ihre Büsten auf wappengeschmückten Konsolen. Christoph Merian selbst hat nur noch die Planung und den Baubeginn miterlebt. Es ist alleine Margaretha Merian, die man sich in der fertiggestellten Kirche vorstellen kann. Sie nutzte ein Separée, um ungestört an den Gottesdiensten teilzunehmen. Auch die Krypta funktionierte so – nur die Witwe und ihre Gäste durften sie betreten. Heute ermöglichen öffentliche Führungen den Zugang.

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Die Villa Merian

In der Villa Merian steckt viel von Margaretha Merian. Die Villa war ursprünglich ein altertümliches Barockschloss und wurde erst ab Mitte der 1850er-Jahre als Villa mit städtischem Flair geplant. Der völlige Umbau des Gebäudes, so wie es sich heute präsentiert, datiert in die Jahre von Margaretha Merians Witwenschaft. Es entstand ein moderner Bau, der sich ganz am Pariser Stil orientierte und für den Lebensstil einer alleinstehenden Frau eingerichtet war. Die Villa hatte laut Überlieferung aufwendig ausgestattete Salons, aber kein sonst übliches Herrenzimmer. Margaretha Merian bewohnte das Haus zusammen mit der Köchin Christine Georg und der Dienstbotin Ursula Buess. Zwar sorgte sie weiterhin für die Pflege von Garten und Park, den enormen Aufwand mit ursprünglich acht Gärtnern reduzierte sie aber massiv. Alle Anhänglichkeiten und Abhängigkeiten des Brüglinger Personals waren zuletzt von ihr geprägt.

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Die Evangelische Missionsgesellschaft

Die Evangelische Missionsgesellschaft, genannt «Basler Mission», war seit ihrer Gründung 1815 eine Lieblingsinstitution der Basler Oberschicht. Die Verbreitung des Christentums in aller Welt entsprach ganz der Überzeugung des «frommen Basel», zu dem Margaretha Merian zählte. Ihre grössten Schenkungen gingen an religiöse Einrichtungen, und sie unterstützte ein Leben lang die Basler Mission, an die erstmals 1850 Gelder des Ehepaars Merian geflossen waren. Die Basler Mission nennt sich heute Mission 21 und engagiert sich im interreligiösen Dialog.

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Die ständige Basler Feuerwache

Die Spenden, vor allem kleinere, waren breit gestreut. 1850 schenkte Margaretha Merian der Basler Feuerwache, dem «Pompierkorps», 2'000 Franken und berücksichtigte sie auch 1886 testamentarisch. Wie kam sie darauf? Die Gründung des Pompierkorps erfolgte als Reaktion auf einen Grossbrand, der 1845 eine Schule der vom Ehepaar Merian geschätzten Basler Mission zerstört hatte. Diese überraschende Verbindung von Mission und Feuerwehr spiegelt sich in den merianschen Geldspenden wieder, die bei beiden Institutionen im selben Jahr einsetzen.

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Die Kleinkinderschule zu St. Elisabethen

Margaretha Merian machte die «Kleinkinderschule zu St. Elisabethen», den Kindergarten neben der Elisabethenkirche, zu ihrem ganz eigenen Stiftungsprojekt. An seinem einstigen Standort öffnen heute die kleinen Glaspyramiden die Theaterwerkstätten dem Tageslicht. Die Schule für etwa zweihundert Kinder zwischen drei und sechs Jahren finanzierten Vereinsgelder, Schulgelder und vor allem Margaretha Merians Zahlungen. Kindergärten waren Mitte des 19. Jahrhunderts in Basel eine neue Erscheinung, und ihr Zweck war noch umstritten. Margaretha Merian schlug sich ganz auf die konservativ-christliche Seite und richtete einen streng evangelisch-reformierten Unterricht ein. Sie beanspruchte für sich auch die Leitung und kam in Konflikt mit dem Kanton, der eine mehr spielerische Pädagogik wünschte. Der Kindergarten fiel der CMS 1886 testamentarisch zu. Der Betrieb wurde bis 2014 weitergeführt, seit 1987 nach den Grundlagen der Montessori-Pädagogik. Die Kindergartenstiftung ist zum Margaretha-Merian-Fonds geworden und dient der Kleinkinderförderung.

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Der Merianflügel

Vom Merianflügel des Bürgerspitals, den Christoph Merian anfinanzierte und Margaretha Merian ab 1858 auszufinanzieren half, ist nichts übrig geblieben, nicht einmal die Gedenktafel für die Merians. 1970 wurde der Merianflügel für das heutige Klinikum 2 weggesprengt.

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Das Museum an der Augustinergasse

Neben religiösen Einrichtungen berücksichtigte Margaretha Merian mit ihren Spenden auch solche, die Bürgerstolz verbreiteten. Eine der bürgerlichsten war das Museum an der Augustinergasse, geplant von Melchior Berri, dem «Hausarchitekten» der Merians. Heute ist es das Naturhistorische Museum, damals war es ein Museum für verschiedenste Sammlungen und beherbergte auch die Universitätsbibliothek, ein physikalisches Kabinett und ein chemisches Laboratorium. Sie alle profitierten von Margaretha Merians Legaten.

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Die Nervenheilanstalt Friedmatt

Margaretha Merian lebte noch viel mehr als Christoph Merian in einem sich wandelnden Basel. Ganz auf der Höhe der Zeit, spendete sie für den Bau der Nervenheilanstalt Friedmatt in den 1880er-Jahren. Das Konzept der Anstalt im Grünen war neu und sollte vor dem Stress der modernen Stadt schützen.

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Der Sinn für die Mode

Ein Kaschmirschal Margaretha Merians befindet sich heute im Historischen Museum Basel. Der Sinn für die Mode begleitete sie von der Wiege bis zur Bahre. Sie stammte aus einer Familie von Seidenstofffabrikanten und kleidete sich zuletzt wie Queen Victoria. Die früh verwitwete englische Königin machte opulente schwarze Trauerkleider in Europa populär. Margaretha Merians Witwenauftritt stand, wie ein Foto aus ihren letzten Lebensjahren beweist, dem Victorias in nichts nach. Kaschmirschal und Seidenband waren aber nicht nur Mode. Sie repräsentieren auch chinesische und indische Handelsbeziehungen und zeigen, in welch einer global vernetzten Welt die Menschen des 19. Jahrhunderts bereits lebten.

TEXT: ANDRÉ SALVISBERG, ARCHIVAR CMS