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Christoph Dieffenbacher bespricht keine schlechten Bücher

Die Rezension als kritische Vermittlung

Christioph Dieffenbacher
INTERVIEW: WOLFGANG BORTLIK FOTOS: KATHRIN SCHULTHESS

Es gibt viele Wege, wie Leser:innen zum Buch kommen: auf Empfehlung von Bekannten etwa oder über die ansprechende Auslage einer Buchhandlung. Oftmals hören oder lesen sie aber davon in der Zeitung, am Radio, im Fernsehen oder auf einem Blog. Pressearbeit ist daher für einen Verlag unerlässlich, um seine Bücher einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Christoph Dieffenbacher rezensiert als freier Journalist für diverse Medien und bespricht gelegentlich auch Bücher des CMV.

Ich freue mich, dich kennenzulernen, Christoph, du hast auch meinen letzten Roman positiv besprochen. Stellst du dich kurz vor?

Ich bin 1958 in Göteborg in Schweden geboren und in Schaffhausen aufgewachsen. Studiert habe ich unter anderem in Berlin Germanistik (Arno Schmidt, mittlere Phase), Geschichte und Kunstgeschichte. Dann arbeitete ich als Journalist, unter anderem bei der SDA, war im Pressedienst des Nationalfonds und habe daraufhin längere Zeit für die Universität Basel das Wissenschaftsmagazin betreut. Dort habe ich als Redaktor über Wissenschaftsthemen geschrieben und Texte von Forschenden bearbeitet.

Danach bist du nebenberuflich zum Rezensenten geworden?

Ja, vor etwa fünf Jahren. Ich geniesse diese Art des freien Schreibens, weil ich dabei mehr von mir selbst einfliessen lassen kann. Für die Besprechung von Büchern studiere ich meist Verlagsvorschauen und melde mich dann für Rezensionsexemplare. Die Verlage sind immer sehr kooperativ – es ist natürlich in ihrem Interesse, dass ihre Bücher in den Medien besprochen werden.

Wie kommst du als freier Journalist an Aufträge, um deine Rezensionen unterzubringen?

Manchmal mache ich Vorschläge für Beiträge in den Medien, für die ich schreibe. Aber ich bekomme auch feste Aufträge. Meine Interessen sind ziemlich vielseitig. Doch leider wird der Platz für die Kultur in den Medien immer knapper, gerade auch in Sachen Rezensionen. Du kennst sicher das Gedicht von Goethe, das so endet: «Schlagt ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent.» Da scheint der junge Dichter aus einer gewissen Eitelkeit vor nichts zurückgeschreckt zu sein – und dabei hat Goethe im hohen Alter selbst noch Rezensionen geschrieben.

Christioph Dieffenbacher Tisch

Es gibt mittlerweile auch andere Formen von Kritik und Rezension, etwa Literaturblogs und andere digitale Formate. Was hältst du persönlich davon?

Im besten Fall können solche Formen ein neues, junges Publikum ansprechen, um es für Bücher zu interessieren. Ich selbst nutze sie eher wenig. Da braucht es wohl ein digitales Verständnis, eine gewisse Übersicht und einen regelmässigen Aufwand.

Du berichtest von Kulturpreisverleihungen, Jazz-Konzerten, Theaterabenden und Ausstellungen, du rezensierst Romane und Sachbücher – deine Bandbreite als Kulturjournalist ist beeindruckend. Was muss für dich eine Buchkritik beinhalten? Was ist für dich wichtig genug, um es der Leserschaft mitzuteilen?

Ich sehe die Rezension eines Buches vor allem als eine Art kritische Vermittlung. Da ist zuerst einmal die Beschreibung dessen, was einen bei der Lektüre erwartet, ohne allzu viel vom Inhalt zu verraten. Dann versuche ich zu beschreiben, was der Anspruch eines Autors, einer Autorin ist – und dann, ob und wie er auch eingelöst wird. Dazu kommen meine Eindrücke von der Atmosphäre, der Stimmung bei einem Konzert, einem Buch, einer Ausstellung. Zusätzlich recherchiere ich oft, was da noch ist, was es zu einem Thema zu erfahren gibt, um dann alles innerhalb der Rezension in einen Kontext, einen Zusammenhang zu stellen.

Macht es Spass, auch mal ein Buch so richtig zu verreissen, es in Grund und Boden zu stampfen?

Nein. Ich schreibe ehrlich gesagt lieber keine als eine schlechte Rezension, also jedenfalls keinen Verriss. Ich finde, es gibt schon zu viele schlechte Bücher. Da halte ich es für besser, sie nicht noch zusätzlich zu erwähnen. Und wenn Kritik, dann versuche ich sie zu begründen oder auch mal zwischen den Zeilen durchscheinen zu lassen.