Christoph Merian Stiftung

Einleitung

Illustration Lalita Lupina

Neue Publikationsreihe zu sozialen Themen

Mit der Publikation «Soziale Handlungsfelder in der Stadt Basel: Bedarfsanalyse der Christoph Merian Stiftung» (2017) und der Studie zur Obdachlosigkeit in Basel-Stadt «(K)ein Daheim» (2019) wollte die Christoph Merian Stiftung (CMS) in den vergangenen Jahren sozialpolitisches Wissen generieren, den Handlungsbedarf eruieren und Empfehlungen formulieren – dies in erster Linie für die eigene Förderstrategie, aber auch für die breite interessierte Öffentlichkeit. In der Zwischenzeit sind wir zur Überzeugung gelangt, dass es für das «Soziale Basel» weitere Analysen und Aufklärungsarbeit braucht und lancieren deshalb mit dieser Publikation zum Thema Schulden eine neue Reihe. Die CMS will damit ganz bewusst Advocacy für soziale Themen betreiben und einen ganzheitlichen Blick auf soziale Fragestellungen ermöglichen. Ziel der Reihe ist es, Fachleute zusammenzubringen, Diskussionen zu ermöglichen, praxisnahes und praxistaugliches Fachwissen zu erarbeiten und zu vermitteln, gesellschaftspolitisch relevante Definitionen und Thesen zu wagen und Verständnis für soziale Fragen zu wecken. Das nächste Heft ist bereits in Vorbereitung, es wird dem Thema Existenzminimum gewidmet sein.

Zur vorliegenden Publikation: Die Wortwolke Schulden, Schuld und Schuldner birgt einigen sozialen Sprengstoff, nicht zuletzt, weil die Begriffe moralisch stark aufgeladen sind. Etymologisch bezeichnet eine Schuld zunächst bloss eine «Verpflichtung oder Leistung», die einem obliegt. Doch bald entwickelte sich daraus speziell die «Verpflichtung zu einer Geldzahlung, die aus einem Darlehen erwächst». Wobei Schuld im christlichen Kontext bereits im Althochdeutschen die Bedeutung «Missetat, Vergehen, begangenes Unrecht» annahm (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen). Und so heisst es denn auch im Vaterunser-Gebet: «Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.» Genau diese Entschuldung - allerdings nicht in einem religiösen, sondern in einem ökonomischen und gesellschaftlichen Sinn gemeint - möchten wir mit unserer Publikation erreichen: Wir möchten aufzeigen, warum Menschen in eine Schuldenspirale gelangen, wie sie rechtzeitig vor Schulden bewahrt werden, wie sie sich von Schulden befreien können und warum es wichtig ist, dass gerade die öffentliche Hand ihren Schuldnern vergeben kann. Und schliesslich möchten wir über das Verstehen von Schulden einen Beitrag zur Entstigmatisierung der Verschuldeten leisten.

In diesem Sinn hoffen wir, dass unsere Publikation ganz im Sinne unseres Stifters Christoph Merian dazu beiträgt, durch Schulden verursachte «Noth» zu lindern.

Dr. Beat von Wartburg, Direktor, Christoph Merian Stiftung

Schulden als individuelle und gesellschaftliche Herausforderung

Schulden bestehen in vielen Haushalten. Problematisch werden sie dann, wenn ihre Rückzahlung nicht in absehbarer Frist möglich ist. Die Folgen einer solchen Entwicklung können weitreichend sein. Es drohen familiäre Spannungen, Wohnungsverlust oder Lohnpfändung bis hin zu Vereinsamung, Perspektivenlosigkeit und chronischer Erkrankung. Bei einer länger dauernden Überschuldung stehen das individuelle Leid, aber auch die gesellschaftlichen Folgen bald in keinem Verhältnis mehr zu den finanziellen Beträgen am Anfang einer Schuldenspirale. Daher ist der konkrete Umgang mit Schulden auch von grosser sozialpolitischer Bedeutung.

Neben den Direktbetroffenen haben auch verschiedene Fachpersonen mit Schulden zu tun. Für die vorliegende Publikation wurden ausgewählte Expertinnen und Experten eingeladen, ihren Wissensstand zum Thema in kurzen Beiträgen wiederzugeben. In zwei Workshops haben sie sich getroffen, ihre Beiträge besprochen und Empfehlungen dazu formuliert, wie die drängendsten Herausforderungen angegangen werden sollten und welche Massnahmen zu einem nachhaltigeren gesellschaftlichen Umgang mit Schulden beitragen würden.

Als Förderstiftung engagiert sich die CMS seit vielen Jahren in den Bereichen Schuldenprävention und -beratung in Basel. Die geförderten Projekte sollen helfen, dass weniger Haushalte in eine Überschuldung geraten. Und es werden Beratungsstellen unterstützt, die verschuldete Personen professionell und gemeinnützig beraten, ihnen vorhandene Möglichkeiten aufzeigen und sie bei einem möglichen Sanierungsprozess begleiten. Die vorliegende Publikation dient der CMS als Inspiration und Leitplanke für die Fortführung und Entwicklung dieses Engagements.

Letztlich reichen die Analysen und Empfehlungen jedoch über die Handlungsfelder der CMS hinaus. Die eingeladenen Fachpersonen und Betroffenen zeigen Überschuldung als gesellschaftliches Problem mit vielfältigen Ursachen und Wirkungen. Sie adressieren den Umgang mit Schulden auch dort, wo Verwaltung, Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft zuständig sind. Auch in diesen Bereichen besteht das Potenzial, mit grösseren und kleineren Initiativen dafür zu sorgen, dass mit Schulden nicht mehr das Risiko einer lebenslänglichen Strafe einhergeht.

Dr. Alexander Suter, Leiter Abteilung Soziales, Christoph Merian Stiftung