Erkenntnisse und Empfehlungen

Aus den Beiträgen dieser Publikation und deren Diskussion haben die Mitwirkenden in zwei Workshops Empfehlungen zur Verkleinerung der digi­talen Kluft erarbeitet. Im Fokus stehen dabei Personen aus potenziell benachteiligten Gruppen wie Jugendliche, Senior : innen, Menschen mit Behinderungen, Migrant : innen, armutsbetroffene Personen und bildungsferne Personen.

Digitalität soll benachteiligte Personen inkludieren statt ausschliessen. Sie müssen an der Entwicklung beteiligt sein. Es braucht mehr Bildung für alle sowie Schutzmassnahmen, die Missbrauch verhindern. Gesamtgesellschaftlich müssen wir für eine Kultur der Digitalität von Menschen für Menschen sorgen.

Beteiligung

Bei der Konzeption, Umsetzung und dem Testen neuer digitaler Werkzeuge und Plattformen sind benachteiligte Personen selten involviert, denn sie sind oft weder zahlungskräftige Kund : innen noch haben sie politisch starke Vertretungen.

Ergebnis sind Produkte, die bereits benachteiligte Personen zusätzlich ausschliessen. Es braucht Bewusstsein, Gesetze sowie deren konsequente Anwendung und Praxis, um ihre Bedürfnisse bei Digitalisierungsprozessen von Anfang an mitzudenken.

EmpfehlungenAdressat:innen

Benachteiligte Personen als Erfahrungsexpert : innen in die ­Entwicklung miteinbeziehen

Benachteiligte Personen müssen bei der Entwicklung und Erprobung von Digital-Richtlinien und Produkten Teil des Entwicklungsprozesses sein, damit die Produkte auf ihre Bedürfnisse und Alltagslogiken ­abgestimmt sind.

Verwaltung,
Wirtschaft,
Zivilgesellschaft

Austausch mit Organisationen fördern, die Benachteiligte vertreten

Bei der Planung, Entwicklung und Erprobung digitaler Prozesse und Tools muss die Expertise von Organisationen einfliessen, die anwaltschaftlich für benachteiligte Personen einstehen, wie beispielsweise NGOs, Verbände oder innerbetriebliche Mitwirkungsorgane.

Politik,
Zivilgesellschaft

Eigenständige, kreative Auseinandersetzung mit Medien für ­benachteiligte Personen ermöglichen

Es braucht mehr Angebote für benachteiligte Personen, um selbstständig, auf Wunsch unterstützt durch Expert : innen, digitale Tools und Medien ausprobieren zu können.

Politik,
Verwaltung,
Zivilgesellschaft

Inklusion

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen ein digitales Werkzeug uneingeschränkt nutzen können, unabhängig von ihren persönlichen Voraussetzungen.

Aufgrund von Unwissenheit, Kosten- oder Zeitdruck sowie fehlender Praxis sind digitale Werkzeuge vor allem für die Mehrheitsgesellschaft entwickelt. Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen werden zu wenig berücksichtigt. Zudem bleiben Chancen ungenutzt, die sich für Menschen mit Behinderung aus der Digitalität ergeben.

EmpfehlungenAdressat:innen

Digitale Barrierefreiheit stärker rechtlich verankern

Es muss rechtlich verbindlich verankert werden, dass öffentliche digitale Plattformen für alle zugänglich sein müssen – sowohl bei neuen als auch bei bestehenden Plattformen. Es müssen die gleichen Standards gelten, wie es bei neuen Gebäuden und Sanierungen bereits heute üblich ist.

Staatliche wie auch private Institutionen müssen persönlich betreute Hilfe anbieten, falls wichtige Interaktionen nur digital möglich sind ( z.B. mit dem Einsatz von digitalen Mediator : innen ).

Zivilgesellschaft,
Verwaltung,
Wirtschaft,
Schulen,
Politik

Digitale Möglichkeiten für Barrierefreiheit ausnutzen

Internationale Standards für barrierefreie Digital-Inhalte müssen eingehalten sein ( UNO-BRK und WCAG ). Digitale Inhalte müssen für Personen mit Behinderung gleichwertig nutzbar sein wie für alle anderen. Darüber hinaus müssen digitale Unterstützungsmöglichkeiten zur Förderung des Zugangs von Personen mit Behinderung ausgebaut werden.

Zivilgesellschaft,
Verwaltung,
Wirtschaft,
Schulen,
Politik

Bildung

Für Chancengleichheit in einer digitalisierten Gesellschaft ist es entscheidend, dass alle über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um die digitalen Werkzeuge, Plattformen und Kommunikationsformen für sich zielführend einzusetzen. Das Bildungssystem muss auf allen Ebenen dafür sorgen, dass auch benachteiligte Personen die notwendigen Grundvoraussetzungen erlangen.

EmpfehlungenAdressat:innen

Zielgruppenspezifische Bildungsformate schaffen

Es müssen speziell auf die Bedürfnisse benachteiligter Personen zugeschnittene flexible, kostenfreie und niederschwellige Angebote zur digitalen Wissensaneignung und zur selbstständigen Nutzung digitaler Technologien geschaffen werden.

Schulen,
Erwachsenen­bildung,
Politik,
Zivilgesellschaft

Kritische Medienkompetenz fördern

Insbesondere die Lesekompetenzen und die Kritikfähigkeit gegenüber Medieninhalten in jedem Alter müssen bei Bildungsangeboten und im Lehrplan verankert und gefördert werden. Dabei muss der Fokus auf generalisierten digitalen Fähigkeiten liegen und nicht nur auf einzelnen Medien.

Ressourcen für die Förderung von Medienkompetenzen müssen auch kantonal gesetzlich verankert sein.

Schule,
Politik,
Zivilgesellschaft

Digitale Fähigkeiten Heranwachsender auch ­ausserschulisch fördern

Die Medienbildung, partizipativ mit Kindern und Jugendlichen, muss in der Kinder- und Jugendhilfe stärker gefördert werden. Es braucht Angebote, die sowohl die kreativen Möglichkeiten von Medien für Heranwachsende zugänglich machen und gleichzeitig auch für die Gefahren sensibilisieren. Analog dazu muss auch die Elternbildung zu Digitalität ausgebaut werden, damit sie für Heranwachsende kompetente Bezugspersonen zum Umgang mit Medien sein können.

Verwaltung,
Zivilgesellschaft

Lehrpersonen und Sozialarbeitende in der Digitalität ­ausbilden

Lehrpersonen und Sozialarbeitende müssen selbst über digitale Fähigkeiten verfügen und befähigt sein, diese zu vermitteln. An pädago­gischen Hochschulen und in der sozialarbeiterischen Aus- und Weiterbildung muss daher ein technisches, ökonomisches und kulturelles Grundverständnis für die Funktionsweise digitaler Angebote sowie die Grundsätze digitaler Inklusion vermittelt werden.

Aus- und Weiterbildungs­institutionen

Schutz

Benachteiligte Personen werden häufiger Opfer in digitalen Interaktionen. Benachteiligte Personen müssen vor Missbrauch, Betrug und Benachteiligung geschützt werden. Dafür braucht es auf gesellschaftlicher Ebene konkrete Massnahmen, welche die Risiken der Digitalität reduzieren und die Verantwortung nicht nur auf das Individuum übertragen.

EmpfehlungenAdressat:innen

Digitale Souveränität stärken

Für öffentliche Aufgaben muss die Abhängigkeit von privaten Anbieten­den reduziert werden. Die verwendeten technischen Hilfsmittel müssen transparent und unter der Kontrolle der öffentlichen Hand bleiben.

Es gilt, den kommerziellen Missbrauch von Daten sowie die Gefährdung der Datensicherheit zu vermeiden und aktiv zu kontrollieren.

Politik,
Wirtschaft

Algorithmische Systeme regulieren

Es braucht gesetzliche Grundlagen, die algorithmische Entscheidungsprozesse ( z.B. mit KI ) in öffentlichen Bereichen und in Arbeitsver­hältnissen transparent machen und im Sinne benachteiligter Personen regulieren. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass keine neuen Ausschlussverhältnisse geschaffen oder bestehende verstärkt werden.

Politik,
Wirtschaft

Recht auf offline verankern

Es braucht ein Recht auf analoge Behördengänge und analoge Infor­mation.

Politik,
Wirtschaft

Gesellschaft

Digitalität führt zu Veränderungen in Zusammenleben und Kultur. Als Gesamtgesellschaft sind wir gefordert, die Chancen und Risiken der Digitalität auf den Lebensalltag aller Menschen zu beachten. Eine digitale Kultur muss menschenzentriert sein. Insbesondere braucht es Initiativen, welche die Bedürfnisse benachteiligter Personen in den Fokus nehmen.

EmpfehlungenAdressat:innen

Auf Chancen fokussieren

Ohne die Risiken zu ignorieren, müssen das Potenzial und die Chancen der Digitalität, insbesondere auch für die Inklusion Benachteiligter, vermehrt genutzt werden. Beispielsweise mit digitalen Partizipationsformaten spezifisch für Personen aus benachteiligten Gruppen oder unterstützende Technologien für Menschen mit Behinderung.

Zivilgesellschaft,
Medien

Öffentlichkeit aufklären

Im öffentlichen Diskurs muss faktenbasiert auf die Gefahren der Stigmatisierung und des Ausschlusses von sowie auf die Chancen für benachteiligte Gruppen hingewiesen werden. Es braucht eine Sensi­bilisierung für die digitale Kluft.

Zivilgesellschaft,
Medien

Zielgruppengerechte Information zur Verfügung stellen

Es müssen mehr zielgruppengerechte Inhalte und Formate für verlässliche und vertrauenswürdige Information zu Digitalität geschaffen werden. Beispielsweise mit einem Gütesiegel für geprüfte Information oder durch öffentlich geförderte Information und Medienarbeit.

Zivilgesellschaft,
Medien,
Verwaltung

Forschung vertiefen

Konkrete Auswirkungen der ungleichen digitalen Mediennutzung auf die Lebensqualität und Gesellschaft müssen, auch mit Beteiligung betroffener Personen, erforscht werden.

Forschung