Bildung
Gerade in Bildungsinstitutionen ist es wichtig, sowohl den Zugang zu digitalen Technologien als auch die Kompetenzen im Umgang damit zu fördern. Doch trotz Fortschritten beim Zugang fehlt es vielerorts an der nachhaltigen Vermittlung der erforderlichen Kritikfähigkeit und Informationsverarbeitung. Im Folgenden wird die Rolle der Schulen bei der Verhinderung oder Verkleinerung digitaler Klüfte beleuchtet. Ein spezieller Fokus liegt auf der Rolle der Lehrpersonen und deren Kompetenzen sowie den neuen Herausforderungen, die sich durch Künstliche Intelligenz ( KI ) ergeben.
Von Medien, Medienkompetenz und digitalen Klüften
Immer früher besitzen bereits kleine Kinder ein eigenes Gerät ; dazu kommt ein beeindruckend vielfältiges Medienequipment zu Hause ( vgl. Külling-Knecht et al. 2024 ). Es wäre komfortabel, wenn man die Problematik rund um digitale Klüfte dadurch aus der Welt schaffen könnte, indem man digitale Gerätschaften einfach aus unserem Leben ausschliesst. Versuche in diese Richtung werden derzeit teilweise unternommen, etwa in Australien, wo Tablets wieder aus den Schulen genommen und Social-Media-Anwendungen für Heranwachsende bis 16 Jahre verboten werden, oder in skandinavischen Ländern, wo Schulen wieder stärker in Richtung einer nicht-digitalen Zukunft gehen ( vgl. Holzwarth 2024 ). Es stellt sich die Frage, ob ein Zurückrudern sinnvoll ist, wenn der ( vielfältige ) Kompetenzerwerb dadurch einige Jahre später erfolgen muss und gestützt durch die Bildungsinstanzen.
Denn die Mediengesellschaft lässt den Heranwachsenden nicht viel Zeit, ohne Medieneinflüsse ins Leben zu starten. Vielmehr ist man heute ab dem Zeitpunkt der Geburt von Medien ( einflüssen ) umgeben. Man entwickelt Gewohnheiten im Umgang mit Medien, im besten Fall durch den Erwerb der nötigen Kompetenzen. Diese Fähigkeiten, die auch unter dem Begriff der Medienkompetenz zusammengefasst werden können, fallen den Heranwachsenden nicht in den Schoss. Wie Dieter Baacke bereits vor der Geburtsstunde von Smartphones und KI definierte, zählen zur Medienkompetenz unterschiedliche Dimensionen : Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung ( vgl. Baacke 1997, 98 ). Ohne Zweifel sind alle Kompetenzen wichtig, doch gerade die Medienkritikfähigkeit – und damit die Fähigkeit, Informationen zu bewerten und ihren Wahrheitsgehalt abzuschätzen – erscheint in Zeiten von Fake News, Deepfake-Mediendarstellungen und KI-generierten Medienbeiträgen, die täuschend echt wirken, wichtiger denn je ( vgl. Büchi, Medien, S. 63 ). Ebenso bedarf es zunehmend einer übergreifenden « Informationsverarbeitungskompetenz », bei welcher die Heranwachsenden lernen, Informationen auszuwählen, zu beurteilen, zu verstehen und in einen grösseren Kontext einzuordnen.
Die Dimensionen von Medienkompetenz

Dass diverse Medien gern und oft genutzt werden ( vgl. Külling-Knecht et al. 2024 ) bedeutet noch nicht, dass die Nutzung kritisch und reflektiert erfolgt. Und an dieser Stelle entstehen digitale Klüfte ( van Dijk 2019 ) zweiter Ordnung ; dort, wo zwar der Zugang zu Gerätschaften gegeben ist, aber die Nutzung wenig reflektiert, unkritisch und letztlich zum Nachteil der Nutzer : innen geschieht. In diesem Zusammenhang wird auch von digitaler Ungleichheit gesprochen ( vgl. Hargittai 2021 ; Paus-Hasebrink 2023 ). Verschiedene Sozialisationsinstanzen wie die Erziehungsberechtigten, die Schule, ausserschulische Begegnungsorte oder die Peergroup umgeben die Heranwachsenden und können unterschiedliche Beiträge dazu leisten, die Medienkompetenz zu verbessern und so auch digitale Klüfte zu verringern. Die Schule hat hierbei besondere Chancen, steht aber auch vor Herausforderungen.
Folgen von digitalisierten Systemen mit Künstlicher Intelligenz
Systeme mit Künstlicher Intelligenz können die digitale Kluft noch vertiefen. Denn wer nicht versteht, wie KI funktioniert oder sie nicht richtig einsetzt, könnte im Berufs- oder Alltagsleben Nachteile erfahren. Es gibt einen Unterschied zwischen der einfachen Nutzung von KI-Tools und dem tiefergehenden Verständnis ihrer technologischen, ethischen und sozialen Auswirkungen, was zu weiteren Ungleichheiten führen kann. Hier wird besonders deutlich, warum Medienkompetenz heute mehr umfasst als nur den geübten Umgang mit Software und einen elaborierten Umgang mit Suchmaschinen. Das kritische Urteilsvermögen in Bezug auf Informationen, der Blick hinter die Kulissen der Medienschaffenden, aber auch der Tech-Anbieter, und die ethische Reflexion ( welche Konsequenzen bringen die neuen Entwicklungen und für wen ) werden immer wichtiger. Und die Entwicklung dieser Fähigkeiten beginnt mit Vorteil bereits in der Primarschule. So betonen Aufenanger et al., dass das Thema KI die Gesellschaft und den Menschen in allen Lebensbereichen betrifft und die Schule in der Pflicht sei, das Thema im Unterricht, aber auch in der Professionalisierung von pädagogischem Personal aufzugreifen ( vgl. Aufenanger, Herzig & Schiefner-Rohs 2023, 199 ).
Blickt man auf die Beliebtheit von KI unter den jungen Nutzer : innen zwischen 12 und 19 Jahren in der Schweiz, so haben bereits 71 Prozent der Jugendlichen Erfahrungen mit ChatGPT oder anderen KI-Tools gemacht ; je älter, desto mehr. Davon nutzen 34 Prozent der Jugendlichen die Anwendungen mindestens wöchentlich ( vgl. Külling-Knecht et al. 2024 ). Was die « Informationslesefähigkeit » angeht, ist aber nicht nur die Fähigkeit von Bedeutung, KI-Tools korrekt zu nutzen. Selbst die Bedienung von Suchmaschinen und das Einordnen von Informationen, die man über verschiedene Medienquellen empfängt, erfordern kritische Kompetenzen und die Fähigkeit, die Informationen in einen grösseren Zusammenhang einbetten zu können. Besonders junge Menschen informieren sich gern auf den Sozialen Netzwerken über das Weltgeschehen und immer weniger über traditionelle Informationsmedien. Dies erfordert eine Überprüfungsleistung der Informationen, der manch informierter Erwachsener nicht gewachsen sein dürfte.
Information im Internet nach Altersgruppen

Die Rolle der Schule : Zugang bieten und Kompetenzen fördern
Der gesellschaftliche Diskurs sollte sich schon lange von Fragen wie « Haben wir bereits gutes WLAN in der Schule » wegbewegen – denn dieser sollte unterdessen eigentlich so selbstverständlich sein wie das fliessende Wasser und das auf Knopfdruck funktionierende Licht. Vielmehr geht es um die zentralen und relevanten Kompetenzen, um Informationen kritisch und richtig verarbeiten zu können ( Fake News erkennen, Informationen einbetten statt nur kurze News-Abschnitte zu verstehen ). Ethische und gesellschaftliche Fragestellungen rund um Medien gehören ebenso in den Unterricht. Das sind nicht wenige Ansprüche, nebst all den fachdidaktischen Inhalten, welche die Lehrpersonen abdecken sollen.
Die Eltern als Sozialisationsinstanzen tragen durch Gespräche über Medieninhalte je nach Bildungshintergrund sehr unterschiedlich stark zu einem Zuwachs der Kritikfähigkeit bei den Heranwachsenden bei. In der Schule begegnen die Lehrpersonen daher diesbezüglich sehr heterogenen Klassen. Die ( Medien- )Kritikfähigkeit aller Schüler : innen gleichermassen zu verbessern, ohne den Anspruch zu haben, alle auf ein gleiches Niveau heben zu müssen, ist eine grosse Herausforderung. Doch genau die Schule ist ein optimaler Ort hierfür, wenn sie technisch und personell darauf vorbereitet ist.
Die Problematik liegt stets darin, dass die Pädagogik jeder gesellschaftlichen oder technischen Entwicklung ein paar Schritte hinterherhinkt. Bevor Lehrmittel entstehen, finden Verankerungen in Lehrplänen statt. Das braucht Zeit. Abgesehen davon ist unbestritten, dass in einer Mediengesellschaft eine sattelfeste Informationsverarbeitungskompetenz und Kritikfähigkeit unerlässlich sind, um mündige Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft hervorzubringen, die ihre Fähigkeiten gewinnbringend nutzen können.
Die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen
Mit der Aus- und später auch der Weiterbildung der Lehrpersonen steht und fällt, ob die Schule als Instanz dazu beitragen kann, digitale Klüfte zu verkleinern. Medienkompetente Lehrpersonen sind das eine, aber auch medienpädagogische Kenntnisse sind wichtig, damit der Transfer gelingt ( Tulodziecki 2012 ). Denn die medienpädagogische Kompetenz umfasst mediendidaktisches Wissen, die effektive Medienintegration und auch medienerzieherische Aspekte.
Komponenten medienpädagogischer Kompetenz

In der Regel erwerben die Lehrpersonen medienpädagogische Kompetenz an den Pädagogischen Hochschulen, die sie auf ihre Arbeit stufenspezifisch vorbereiten. Aber auch in Weiterbildungen, welche sie besuchen, um bei der rasanten technisch-medialen Entwicklung auf dem Laufenden zu bleiben. Um also die Medienkompetenz der Heranwachsenden zu verbessern und damit auch zu einer Verkleinerung von digitalen Klüften beizutragen, braucht es gut geschulte Lehrpersonen, die ihre Aufgaben gemäss dem Lehrplan 21 über alle Stufen hinweg wahrnehmen. Dazu gehören bei einem so wandelbaren Thema wie den Medien eine fortlaufende Weiterbildung und vor allem auch der Wille und die Neugierde, sich mit jungen Menschen ( die sich mitunter besser mit einer Anwendung oder einem Medienphänomen auskennen ) in einen konstruktiven und kritischen Dialog einzusteigen : während der Unterrichtszeit oder darüber hinaus.
Fazit
Im Kern aller Bemühungen steht eine kompetente Lehrperson, die über Medienkompetenz verfügt und diese weiter pflegt. Hinzu kommt ihre medienpädagogische Kompetenz, die sie befähigt, altersgerecht ihr Wissen an Schülerinnen und Schüler weiterzugeben. Ausserdem können durch sie die Schülerinnen und Schüler mithilfe aktiver Medienarbeit Medienwissen konkret und nicht nur theoretisch erfahren : aus Konsument : innen werden Produzent : innen. Diese Fähigkeiten erwirbt die Lehrperson an ihrer Ausbildungsstätte. Der Fokus liegt aus diesem Grund auf der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen. Ein fundiertes Wissen im Bereich der Medienbildung und Informatik ist auf allen Stufen unerlässlich, was sich wiederum in den Studienverlaufsplänen niederschlagen sollte. Neben fortlaufenden Weiterbildungsangeboten könnten zudem Good-Practice-Projekte aus der Praxis systematisch dokumentiert und geteilt werden, bei denen speziell die Förderung der Kritikfähigkeit und Informationsverarbeitungskompetenz im Zentrum stehen.
Betrachtet man die Lehrpersonen als zentrale Schachfiguren auf dem Brett, sollen für ihre Ausbildung gesellschaftspolitisch die Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass sie ihre Aufgabe gewissenhaft wahrnehmen können. Dies bedeutet nicht, dass nicht weiterhin auch unterstützende Angebote für Erziehungsberechtigte geschaffen und erhalten werden sollen, die mit ihrer medienerzieherischen Aufgabe nicht selten an ihre Grenzen stossen. Schlussendlich braucht es ein Zusammenspiel mehrerer Sozialisationsinstanzen, damit möglichst viele Heranwachsende dazu befähigt werden können, für sich einen Mehrwert aus den digitalen Errungenschaften zu ziehen.
Literaturhinweise
Aufenanger, S., Herzig, B. & Schiefner-Rohs, M. ( 2023 ). Künstliche Intelligenz und Schule. Aufgaben für Unterricht und die Organisation ( von ) Schule. In : C. de Witt, C. Gloerfeld & S. E. Wrede ( Hrsg. ), Künstliche Intelligenz in der Bildung ( 199 – 218 ). Springer.
Baacke, D. ( 1997 ). Medienpädagogik. Grundlagen der Medienkommunikation, Bd. 1. Niemeyer.
Breitner, A., Howe, F. & Härtel, M. ( 2017 ). Medienpädagogische Kompetenz des betrieblichen Ausbildungspersonals. BWP, Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Bd. 46/2.
Hargittai, E. ( 2021 ). Introduction to the Handbook of Digital Inequality. Edward Elgar Publ. china.elgaronline.com/display/edcoll/9781788116565/9781788116565.00006.xml
Holzwarth, P. ( 2024 ). Thesen zu « Digitalisierung » und « Schule ». [Blogbeitrag]. Das SchreibBLOGZentrum PHZH. blog.phzh.ch/schreibzentrum/2024/10/thesen-zu-digitalisierung-und-schule/
Külling-Knecht, C., Waller, G., Willemse, I., Deda-Bröchin, S., Suter, L., Streule, P., Settegrana, N., Jochim, M., Bernath, J. & Süss, D. ( 2024 ). JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. www.zhaw.ch/storage/psychologie/upload/forschung/medienpsychologie/james/2018/JAMES_2024_DE.pdf
Paus-Hasebrink, I. ( 2023 ). Vorm Bildschirm alle gleich ? Digitale Spaltung und soziale Benachteiligung Heranwachsender. SCHÜLER. Wissen für Lehrer. elibrary.utb.de/doi/pdf/10.5555/sh-1-2023_14
Tulodziecki, G. ( 2012 ). Medienpädagogische Kompetenz und Standards in der Lehrerbildung. In : R. Schulz-Zander, B. Eickelmann, H. Moser & P. Grell ( Hrsg. ), Jahrbuch Medienpädagogik 9, 271 – 297. Verlag für Sozialwissenschaften.
Van Dijk, J. ( 2019 ). The Digital Divide. Polity Press. www.researchgate.net/publication/336775102_The_Digital_Divide